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b) Die Wachstumskurve
Ein in der Darstellung noch besseres, übersichtlicheres und in der
Praxis sehr gebräuchliches Mittel, die Entwicklung des Wachstums festzustellen, ist die
Aufzeichnung der Wachstumskurve in einem Koordinatensystem.
Die Diagramme zeigen für Mädchen und Jungen jeweils die Kurven des Wachstums und
Gewichts in Perzentilen.
Die Einteilung nach Perzentilen ist den Sigmagrenzen etwa gleichwertig. Sie geben an,
wie viel Prozent der untersuchten Personen kleiner sind als der Zentimeterwert, der bei dem
jeweiligen Perzentil angegeben ist. Nach dem Diagramm für Jungen sind z.B. 3% der
18-jährigen kleiner als 168 cm, 10% kleiner als 173 cm, 50% kleiner als 180 cm, und 97%
sind kleiner als 193 cm. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Perzentile 3% und 97%
ziemlich genau mit den Zwei-Sigma-Grenzen zusammenfallen und dass das Perzentil 50%, der
sogenannten Medianwert, nahezu mit dem arithmetischen Mittel übereinstimmt. Als
"normal" gelten bei Verwendung von Perzentilen im allgemeinen alle Individuen,
deren Maße zwischen den Perzentilen 3% und 97% liegen; dieser Bereich umfasst also 94%
aller Einzelwerte und deckt sich damit weitgehend mit dem Zwei-Sigma-Bereich.(5Quelle 5: Vogt, D.: Wachstums- und Entwicklungsdiagnostik - Morphologische Beurteilung von Wachstum und Entwicklung des Kindes. In: Opitz/Schmidt: Handbuch der Kinderheilkunde II/1, 1966
,17Quelle 17: Brand,I./ Reinken,L.: Diagramme: Wachstums- und Gewichtskurven in Perzentilen. Klin. pädiat. 200, 451-456; 1988
)
Die jeweilige Perzentile berücksichtigt natürlich die
unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit in der Wachstumsphase. Beispielsweise hat ein
Mädchen zwischen 7 und 12 Jahren, ein Junge zwischen 10 und 14 Jahren nochmal einen etwas
stärkeren Wachstumsschub, bevor das Längenwachstum beim Mädchen mit ca. 16 Jahren, beim
Jungen mit ca. 18 Jahren zum Stillstand kommt. (Es ist auch völlig normal, wenn in diesen
Phasen Mädchen im Durchschnitt etwas größer sind als gleichaltrige Jungen. Mit 13 - 14
Jahren werden die Mädchen dann von den Jungen -statistisch gesehen-
"überholt").
Nun kommt noch ein Phänomen hinzu, das in Mitteleuropa seit ca. 150 Jahren beobachtet
wird (16Quelle 16: v.Harnack,G.A.: Kinderheilkunde, 7.Aufl. 1986/87
,19Quelle 19: Zimmer,D.E.: Wachstum: Der Mensch will hoch hinaus. Zeitmagazin Nr.42, 14.10.1988.
), nämlich der Trend zur allgemeinen Wachstumssteigerung und der
Wachstumsbeschleunigung (Akzeleration). Später soll noch einmal davon die Rede sein; hier
nur der Hinweis, dass solche Diagramme mit den Wachstumskurven von Zeit zu Zeit natürlich
aktualisiert werden. Auch sind die Diagramme verschiedener Autoren und Institute vom
gleichen Zeitraum etwas unterschiedlich. Es scheint eben nicht ganz egal zu sein, ob man
z.B. norddeutsche oder süddeutsche Kinder über einen längeren Zeitraum misst und untersucht.("Nord-Süd-Gefälle"?).
In solchen Diagrammen kann man die persönliche Wachstumsentwicklung des Kindes sehr
leicht eintragen und erkennen. Bei einer gesunden Weiterentwicklung wird sich ein Kind
seine eigene Perzentile "suchen" und die persönliche Kurve wird entsprechend
der vorgegebenen Kurven weiterverlaufen. So darf man bei konsequentem Messen auch schon
erste Prognosen bezüglich der zu erwartenden Endgröße wagen. Ist z.B. ein Junge mit 6
Jahren 126 cm, mit 9 Jahren 145 cm groß, dann wird er bei einer gesunden
Weiterentwicklung wahrscheinlich eine Erwachsenengröße von ca. 190 cm haben. Wenn
dagegen im Laufe der Zeit die Kurve nicht mehr stetig weiterverläuft, also z.B.
plötzlich stark ansteigt, vielleicht sogar außerhalb der 97er Perzentile, obwohl das
vorher nicht der Fall war, so kann sich dahinter eine Krankheit verbergen.
Auf den Diagrammen werden zusätzlich die Körpergrößen der Eltern vermerkt, um auch
einen erblichen Bezug zu Größe und Wachstum des Kindes zu bekommen. Abgesehen von der
Prognose der Endgröße über den Verlauf der Kurve gibt es hier aber auch eine
Faustformel zur Schätzung der genetisch zu erwartenden Erwachsenengröße (Zielgröße)
der Kinder, hergeleitet aus der Körpergröße der Eltern und dem biologischen Unterschied
von 12 - 13 cm bei der Körperlänge, der zwischen der kleineren Frau und dem größeren
Mann im Durchschnitt besteht.
Die Körpergröße der Eltern zusammen wird halbiert und für ein Mädchen um 6 cm
vermindert, für einen Jungen um 6 cm ergänzt. Das Ergebnis hat dann - statistisch
gesehen - noch eine Streubreite von ± 8,5cm. (10Quelle 10: a) Prader,A.: Wachstum und körperliche Entwicklung in der Adoleszenz. b) Blunk,W.: Grundl. der Therapie des konstitutionellen Hochwuchses c) Bierich,J.: Zur Oestrogenbehandlung des konstitutionellen Hochwuchses bei Mädchen. d) Prader,A.: Behandlung des Großwuchses. e) Steendijk: Nebenwirkungen. f) Blunck,W.: Zusammenfassung. ln: Monatsschrift für Kinderheilkunde, 123.Band, 1975
)
Beispiel: |
Vater 206 cm, Mutter 190 cm
zu erwartende Körpergröße beim Mädchen:
(206 + 190) : 2 - 6 cm = 192 cm (± 8,5cm)
zu erwartende Körpergröße beim Jungen:
(206 + 190) : 2 + 6 cm = 204cm (± 8,5cm) |
Will man sich nicht auf diese Faustformel verlassen, dann kann man
sich eine ziemlich genaue Prognose ausrechnen. Dazu ist es nur wichtig, das
Skelettalter/Knochenalter bei dem Kind zu bestimmen.
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